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Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten 1 (PsychThApprO)
Anlage 1 (zu § 8 Nummer 1)
Inhalte, die im Bachelorstudiengang im Rahmen der hochschulischen Lehre zu vermitteln und bei dem Antrag auf Zulassung zur psychotherapeutischen Prüfung nachzuweisen sind

(Fundstelle: BGBl. I 2020, 469 - 472)
1.
Grundlagen der Psychologie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
Die studierenden Personen
a)
erkennen, beschreiben und erklären regelgerechtes und abweichendes menschliches Erleben und Verhalten sowie die Entwicklung des regelgerechten und abweichenden menschlichen Erlebens und Verhaltens über die gesamte Lebensspanne hinweg und berücksichtigen hierbei die nach dem neuesten Stand der Wissenschaft vorliegenden Erkenntnisse, Modelle und Forschungsparadigmen,
b)
leiten biologische, psychologische sowie soziale und kulturelle Faktoren, die menschliches Erleben und Verhalten über die gesamte Lebensspanne hinweg beeinflussen, aus allgemeinen Modellen und wissenschaftlichen Erkenntnissen her und nutzen ihre Erkenntnisse für die Beobachtung, Beschreibung und Erklärung individuellen Erlebens und Verhaltens von Menschen und ihren sozialen Bezugssystemen.
Zur Vermittlung der Inhalte der Grundlagen der Psychologie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind bei der Planung der hochschulischen Lehre mindestens 25 ECTS-Punkte vorzusehen und die folgenden Wissensbereiche abzudecken:
a)
allgemeine Psychologie unter Berücksichtigung von kognitiven Prozessen in den Bereichen Sprache, Lernen, Gedächtnis, Emotion und Motivation,
b)
differentielle Psychologie und Persönlichkeitspsychologie,
c)
Entwicklungspsychologie,
d)
Sozialpsychologie,
e)
biologische Psychologie,
f)
kognitiv-affektive Neurowissenschaften.
2.
Grundlagen der Pädagogik für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
Die studierenden Personen berücksichtigen bei psychotherapeutischen Entscheidungsfindungen die Bedingungen, Prozesse und Konsequenzen der Sozialisation und des Lernens in nicht-institutionellen und institutionellen Bildungs- und Erziehungskontexten bei Menschen über die gesamte Lebensspanne hinweg.
Zur Vermittlung der Inhalte der Grundlagen der Pädagogik für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind bei der Planung der hochschulischen Lehre mindestens 4 ECTS-Punkte vorzusehen und die folgenden Wissensbereiche abzudecken:
a)
Erziehung und Bildung,
b)
Bedeutung sozialer und kultureller Faktoren für Bildungs- und Erziehungsprozesse,
c)
pädagogische Interventionen und Interventionssettings,
d)
rechtliche sowie familien- und sozialpolitische Regelungen mit Auswirkungen auf pädagogische und psychologische Interventionen.
3.
Grundlagen der Medizin für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
Die studierenden Personen wenden bei der Ausübung von Psychotherapie grundlegende Kenntnisse über körperliche Prozesse, Krankheiten, Behinderungen und medizinische Behandlungsverfahren an, die im Zusammenhang mit der Ausübung von Psychotherapie von Bedeutung sind.
Zur Vermittlung der Inhalte der Grundlagen der Medizin für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind bei der Planung der hochschulischen Lehre mindestens 4 ECTS-Punkte vorzusehen und die folgenden Wissensbereiche abzudecken:
a)
Anatomie,
b)
Aufbau und Funktion des Nervensystems,
c)
ausgewählte Krankheitsbilder, insbesondere internistische, neurologische, orthopädische und pädiatrische Krankheitsbilder,
d)
biologische Komponenten psychischer Störungen und Symptome,
e)
Genetik und Verhaltensgenetik,
f)
Grundlagen der somatischen Differentialdiagnostik.
4.
Grundlagen der Pharmakologie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
Die studierenden Personen
a)
wenden bei der Ausübung der Psychotherapie ihre grundlegenden Kenntnisse zu neuropharmakologischen Prozessen der Signalübertragung im Gehirn und zur pharmakologischen Beeinflussung der Signalübertragung durch Medikamente an,
b)
vollziehen die Indikationsstellung und Wirksamkeit pharmakologischer Behandlungen auf der Grundlage physiologischer Wirkweisen und der möglichen Interaktion mit psychotherapeutischen Prozessen nach und berücksichtigen sie angemessen bei der Entscheidungsfindung,
c)
informieren Patientinnen und Patienten oder andere beteiligte oder zu beteiligende Personen über die wissenschaftlich fundierten Indikationsgebiete von Psychopharmaka, über deren Wirkungsweise sowie über den zu erwartenden Nutzen und die Nebenwirkungsrisiken.
Zur Vermittlung der Inhalte der Grundlagen der Pharmakologie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind bei der Planung der hochschulischen Lehre mindestens 2 ECTS-Punkte vorzusehen und die folgenden Wissensbereiche abzudecken:
a)
Pharmakodynamik,
b)
Pharmakokinetik,
c)
Psychopharmaka,
d)
Pharmakotherapie.
5.
Störungslehre
Die studierenden Personen
a)
erklären die Erscheinungsformen, Klassifikation und charakterisierenden Merkmale, die Entwicklung und den Verlauf von psychischen Störungen und von psychischen Aspekten bei körperlichen Erkrankungen,
b)
wenden die verschiedenen Theorien und Modelle einschließlich der Modellannahmen der unterschiedlichen wissenschaftlich geprüften und anerkannten psychotherapeutischen Verfahren und Methoden sowie der ihnen zugeordneten empirischen Befunde zur Erklärung der Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Störungen sowie von psychischen Aspekten bei körperlichen Erkrankungen an,
c)
erkennen, diagnostizieren und klassifizieren psychische Erkrankungen unter angemessener Nutzung von ausgewählten standardisierten diagnostischen Beobachtungs-, Mess- und Beurteilungsinstrumenten.
Zur Vermittlung der Inhalte der Störungslehre sind bei der Planung der hochschulischen Lehre mindestens 8 ECTS-Punkte vorzusehen und die folgenden Wissensbereiche abzudecken:
a)
allgemeine und spezielle Krankheitslehre psychischer und psychisch mitbedingter Erkrankungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter einschließlich des Säuglings-, Kleinkind- und höheren Lebensalters,
b)
Epidemiologie und Komorbidität,
c)
klinisch-psychologische Diagnostik und Klassifikation,
d)
Modelle über Entstehung, Aufrechterhaltung und Verlauf psychischer und psychisch mitbedingter Erkrankungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter einschließlich des Säuglings-, Kleinkind- und höheren Lebensalters unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Störungsmodelle der wissenschaftlich geprüften und anerkannten psychotherapeutischen Verfahren und Methoden.
6.
psychologische Diagnostik
Die studierenden Personen
a)
beurteilen psychodiagnostische Methoden der Persönlichkeits-, Leistungs- und neuropsychologischen Diagnostik bei Personen aller Alters- und Patientengruppen nach wissenschaftlich-methodischen Grundlagen, insbesondere nach solchen der Objektivität, der Zuverlässigkeit und der Gültigkeit,
b)
setzen psychodiagnostische Methoden der Persönlichkeits-, Leistungs- und neuropsychologischen Diagnostik situations- und patientenangemessen ein und bewerten die Ergebnisse,
c)
entwickeln psychologische Tests unter Berücksichtigung der Prinzipien der Testtheorien und Testkonstruktion,
d)
prüfen und beurteilen die Güte diagnostischer Erhebungsmethoden anhand von wissenschaftlichen Kriterien,
e)
erheben klinische und anamnestisch relevante Befunde,
f)
erstellen psychische Befunde unter Berücksichtigung der Kriterien der kategorialen Diagnostik psychischer Störungen sowie unter Berücksichtigung der Kennzeichen von Klassifikationssystemen und verwenden hierbei für den Einzelfall wissenschaftlich evaluierte, standardisierte und strukturierte Patientenbefragungen,
g)
setzen die dimensionale Diagnostik unter Anwendung psychometrischer Verfahren zur Beurteilung der Schwere und der Ausprägung von Symptomen sowie des Therapieverlaufs ein und reagieren angemessen auf Veränderungen der diagnostischen Befunde unter Berücksichtigung der methodischen Voraussetzungen.
Zur Vermittlung der Inhalte der psychologischen Diagnostik sind bei der Planung der hochschulischen Lehre mindestens 12 ECTS-Punkte vorzusehen und die folgenden Wissensbereiche abzudecken:
a)
allgemeine diagnostische Verfahren und Methoden,
b)
diagnostische Verfahren und Methoden zur Verhaltensbeobachtung einschließlich der Verfahren und Methoden zur Patientenbeobachtung,
c)
Indikationen und diagnostische Prozesse bei Menschen aller Alters- und Patientengruppen,
d)
Merkmale von Klassifikationssystemen einschließlich ihrer Fehlerquellen,
e)
psychometrische Grundlagen des Messens als Voraussetzung für Testtheorien und Testkonstruktionen,
f)
psychische und psychopathologische Befunderhebung unter Berücksichtigung differentialdiagnostischer Erkenntnisse,
g)
Sprache und Interaktion im diagnostischen Prozess sowie Gesprächsführungsmethoden.
7.
allgemeine Verfahrenslehre der Psychotherapie
Die studierenden Personen
a)
beurteilen die Wirkungsweise und Einsetzbarkeit der wissenschaftlich geprüften und anerkannten psychotherapeutischen Verfahren und Methoden sowie von evidenzbasierten Neuentwicklungen unter Einbeziehung der jeweiligen historischen Entwicklung, der Indikationsgebiete und der Wirksamkeit, der Ätiologie und Störungsmodelle und der den Verfahren und Methoden zugehörigen psychotherapeutischen Techniken,
b)
wenden bei der Indikationsstellung und der Behandlungsplanung die der Alters- und Patientengruppe angemessenen anerkannten Behandlungsleitlinien unter Beachtung des üblichen Vorgehens, der Qualitätssicherung sowie von Stärken und Schwächen in der Leitlinienentwicklung an,
c)
klären Patientinnen und Patienten und andere beteiligte oder zu beteiligende Personen angemessen über anerkannte Behandlungsleitlinien auf.
Zur Vermittlung der Inhalte der allgemeinen Verfahrenslehre der Psychotherapie sind bei der Planung der hochschulischen Lehre mindestens 8 ECTS-Punkte vorzusehen und die folgenden Wissensbereiche abzudecken:
a)
die wissenschaftlich geprüften und anerkannten psychotherapeutischen Verfahren und Methoden,
b)
anerkannte Merkmale für die Bewertung der wissenschaftlichen Evidenz der wissenschaftlich geprüften und anerkannten psychotherapeutischen Verfahren und Methoden sowie von evidenzbasierten Neuentwicklungen.
8.
präventive und rehabilitative Konzepte psychotherapeutischen Handelns
Die studierenden Personen
a)
beurteilen aufgrund der Wirksamkeit von verhaltens- und verhältnisorientierten Präventions-, Interventions- und Rehabilitationsmerkmalen und -konzepten deren Nutzen zum Erhalt oder zur Wiederherstellung von Gesundheit oder zur Verminderung von Gesundheitsbeeinträchtigungen,
b)
erkennen gesundheitsrelevante Aspekte verschiedener Lebenswelten einschließlich der vorhandenen Ressourcen und Resilienzfaktoren,
c)
nutzen die Schnittstellen und Kooperationsmöglichkeiten von Lebens-, Versorgungs- oder Organisationsbereichen und unterstützen den Ausbau von weiteren Schnittstellen und Kooperationsmöglichkeiten,
d)
verfügen über Grundkenntnisse der sozialrechtlichen, zivilrechtlichen und weiteren einschlägigen Vorschriften zum Kinderschutz sowie der angrenzenden Rechtsgebiete.
Zur Vermittlung der Inhalte der präventiven und rehabilitativen Konzepte psychotherapeutischen Handelns sind bei der Planung der hochschulischen Lehre mindestens 2 ECTS-Punkte vorzusehen und die folgenden Wissensbereiche abzudecken:
a)
Merkmale und Funktion von Prävention und Rehabilitation unter Berücksichtigung der Belange unterschiedlicher Alters- und Patientengruppen,
b)
Präventionsprogramme und Rehabilitationsansätze unter Berücksichtigung der Belange unterschiedlicher Alters- und Patientengruppen.
9.
wissenschaftliche Methodenlehre
Die studierenden Personen
a)
beschreiben die historische Entwicklung der Psychologie und Psychotherapie sowie ihre Beziehung zu benachbarten Gebieten angemessen und bringen die historische Entwicklung der Psychologie und Psychotherapie in Bezug zur heutigen Versorgungslandschaft,
b)
erläutern die Wissenschaftsgeschichte und Erkenntnistheorie mit Bezug auf die Psychologie und Psychotherapie einschließlich ihrer Hauptströmungen und Forschungsmethoden angemessen,
c)
wenden Begriffe, Methoden und Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Forschung in der psychologischen Grundlagen- und Anwendungsforschung an,
d)
beurteilen die Auswirkungen von Forschungsmethoden auf Untersuchungspopulationen und wenden deskriptive und inferenzstatistische Methoden sowie weitere statistische Verfahren zur Auswertung von Ergebnissen grundlagen- und anwendungsbezogener Studien in verschiedenen Bereichen der psychologischen und psychotherapeutischen Forschung an,
e)
planen wissenschaftliche Untersuchungen, führen diese Untersuchungen durch und werten sie aus,
f)
lassen Projekterfahrungen in die Planung und Durchführung von wissenschaftlichen Studien sowie in die Auswertung und Darstellung von eigenen Forschungsergebnissen einfließen.
Zur Vermittlung der Inhalte der wissenschaftlichen Methodenlehre sind bei der Planung der hochschulischen Lehre mindestens 15 ECTS-Punkte vorzusehen und die folgenden Wissensbereiche abzudecken:
a)
Geschichte der Psychologie und Psychotherapie,
b)
Methoden und wissenschaftliche Konzepte für die Erforschung menschlichen Verhaltens und Erlebens einschließlich epidemiologischer Forschung,
c)
deskriptive und Inferenz-Statistik sowie statistische Methoden der Evaluationsforschung,
d)
Planung und Durchführung wissenschaftlicher Studien,
e)
Datenerhebung und Datenanalyse unter Nutzung digitaler Technologien.
10.
Berufsethik und Berufsrecht
Die studierenden Personen
a)
benennen ethische Prinzipien für wissenschaftliches und praktisches Handeln, schätzen diese ein und wenden sie an,
b)
erkennen Verstöße gegen ethische Prinzipien im wissenschaftlichen und praktischen Handeln und ergreifen Maßnahmen, um diesen Verstößen in geeigneter Weise entgegenzusteuern.
Zur Vermittlung der Inhalte der Berufsethik und des Berufsrechts sind bei der Planung der hochschulischen Lehre mindestens 2 ECTS-Punkte vorzusehen und die folgenden Wissensbereiche abzudecken:
a)
Ethik in Forschung und Praxis,
b)
berufsrechtliche Vorgaben des psychotherapeutischen Handelns,
c)
sozialrechtliche Vorgaben der psychotherapeutischen Versorgung.