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Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

Nationale Sonderbestimmungen (Anhang II der Binnenschiffsuntersuchungsordnung BGBl I 2018, 1398)
Anlage A zur Anlage 1 des Anhangs II
Ermittlung der Seilkräfte

(Fundstelle: BGBl. I 2018, 1449 - 1454)

1Vorbemerkungen
 Diese Anlage dient der Berechnung von räumlichen Seiltragwerken unter Einwirkung von Eigenlast, Wind und wandernden Einzellasten aus Zug am Gierseil. In dieser Anlage ist unter Ansatz vereinfachender Annahme eine Möglichkeit für eine Handrechnung bei Angriff einer Einzellast in Fährseilmitte aufgezeigt. Weitere einer Handrechnung zugängliche Berechnungsverfahren können z. B. [1] entnommen werden.
2Gierseil
 Bei einem straff gespannten Gierseil ergibt sich die Seilkraft ZG am oberen Ende des Gierseils zu
 
(A.1)
 mit
Hp
stromparallele horizontale Kraftkomponente aus Strömung
HW
stromparallele horizontale Kraftkomponente aus Wind
gG
Eigengewicht des Gierseils
IG
Gierseillänge
aG
Projektion des Gierseils in die Horizontale
fG
Projektion des Gierseils in die Vertikale
 und
 
(A.2)
 mit
ZG,H
stromparallele horizontale Kraftkomponente der Kraft ZG im Gierseil
ZG,V
vertikale Kraftkomponente der Kraft ZG im Gierseil.
 Abbildung A.2.1 zeigt die Geometrie des Gierseils sowie die angreifenden Kräfte.
 Abbildung A.2.1: Geometrie und Kräfte des Gierseils
 Zur Ermittlung der Komponenten ZG,H und ZG,V kann in erster Näherung davon ausgegangen werden, dass die Tragseilebene ebenfalls unter dem Winkel α gegen die Horizontale geneigt ist.
3Tragseil
3.1Geometrie
 Für ein flach zwischen zwei gleich hoch liegenden Aufhängepunkten gespanntes Seil (l >> f) kann mit guter Näherung die Parabel
 
(A.3)
 angenommen werden (Abbildung A.3.1). Für die Seillänge l kann bei einem flach gespannten Seil in guter Näherung
 
(A.4)
 angenommen werden.
 
 Abbildung A.3.1: Tragseilgeometrie
3.2Seilkräfte
3.2.1Ermittlung der Kräfte
 Die aus Eigenlast, Windlast und Gierseilkraft im Tragseil wirkenden Seilkräfte werden jeweils mit ihren Komponenten ZT,V, ZT,H und ZT,N ermittelt und überlagert. Die einzelnen Komponenten der Seilkräfte des Tragseils sind wie folgt definiert:
ZT,V
vertikaler Anteil der Seilkraft am Auflager, Druckkraft in Mast
ZT,H
stromparallele Komponente der Seilkraft am Auflager
ZT,N
in Spannrichtung des Tragseils wirkende Komponente der Seilkraft am Auflager
ZT
maximale Seilkraft
 Es wird vereinfacht davon ausgegangen, dass sich der Durchhang sowie dessen Vergrößerung infolge Seildehnung linear addieren.
3.2.2Eigenlast
 Die Komponenten der Seilkraft ZT,g infolge der Eigenlast gT ergeben sich wie folgt:
 
(A.5)
 
ZT,g,H = 0(A.6)
  
 
(A.7)
 und mit Berücksichtigung der Seildehnung
 
(A.8)
 Die maximale Seilkraft beträgt
 
(A.9)
 oder
 
(A.10)
3.2.3Windlast
 
Die Komponenten der Seilkraft ZT,w infolge der Windlast wT ergeben sich wie folgt: 
ZT,w,V = 0(A.11)
 
(A.12)
 
(A.13)
 Mit Berücksichtigung der Seildehnung erhält man
 
(A.14)
 Die Seilkraft beträgt
 
(A.15)
 oder
 
(A.16)
3.2.4Gierseilkraft
 Die Komponenten der Seilkraft ZT,G infolge der Gierseilkraft ZG ergeben sich wie folgt:
 
(A.17)
 
(A.18)
 
(A.19)
 und der Seilkraft
 
(A.20)
 oder bei Berücksichtigung der Seildehnung
 
(A.21)
3.2.5Resultierende Seilkraft ZT
 
Die Komponenten der resultierenden Seilkraft ZT ergeben sich aus der Summe der Komponenten der zuvor angegebenen Teilkräfte (Abbildung A.3.2):
ZT,V = ZT,g,V + ZT,G,V
(A.22)
ZT,H = ZT,w,H + ZT,G,H(A.23)
ZT,N = ZT,g,N + ZT,w,N + ZT,G,N(A.24)
 
Die maximale Seilkraft erhält man aus
ZT = ZT,g + ZT,w + ZT,G
(A.25)
 
 Abbildung A.3.2: Tragseilkräfte im Raum
3.3Seildehnung
 
Da sowohl Wind als auch Eigengewicht nicht als Einzellast, sondern über die ganze Länge des Tragseils angreifen, wird davon ausgegangen, dass eine Seildehnung nur durch die Kraft aus dem Gierseil hervorgerufen wird. Infolge der im Seil wirkenden Seilkraft ZG entsteht eine Seildehnung ΔlT
ΔlT = l´T – lT
(A.26)
 mit
lT
Seillänge unter Eigenlast
T
gedehnte Seillänge unter Eigenlast und Zugkraft ZG
 
 Abbildung A.3.3: Seildehnung
 Für die Seillänge (Abbildung A.3.3) kann bei einem flach gespannten Seil in guter Näherung zu
 
(A.27)
 mit
Z
Zugkraft im Seil
E
Verformungsmodul des Seils nach DIN EN 1993-1-11
Am
metallische Querschnittsfläche des Tragseils nach DIN EN 1993-1-11
angenommen werden.
 
Infolge des vergrößerten Seildurchhangs in der Seilebene
T = fT + ΔfT
(A.28)
werden die geometrischen und statischen Verhältnisse verändert. Die Seilkraft mit Seildehnung wird über den Korrekturfaktor
 
(A.29)
 mit
ZT
Seilkraft ohne Seildehnung
T
Seilkraft mit Seildehnung
erfasst.
 
 Abbildung A.3.4: Kräftegleichgewicht für das Tragseil mit und ohne Seildehnung bei angreifender Seilkraft ZG
 Nach Abbildung A.3.4 erhält man den Korrekturfaktor über
 
(A.30)
 Der Korrekturfaktor ς ergibt sich zu
 
(A.31)
 
Die Gleichung kann für eine iterative Berechnung des Korrekturfaktors ς und mit Hilfe der Näherung ZT zur Berechnung von
T = ς · ZT
(A.32)
verwendet werden.
 Bemerkenswert ist, dass bei gleichbleibendem Winkel τ1 der Fehler völlig unabhängig von der Fährseillänge und vom Mastabstand ist. Interessiert man sich für die Auswirkung des Mastabstandes auf den Fehler, so kann man auch folgende umgeschriebene Formel verwenden:
 
(A.33)
 Seildehnungen infolge Temperaturänderungen und deren Einfluss auf die Kräfte im Tragseil sind gesondert zu erfassen.
4Abspannseile
 In der Regel werden die Masten durch Abspannseile quer zur Strömungsrichtung und parallel zur Strömungsrichtung abgefangen. Für die Bemessung der Abspannseile anzusetzenden Einwirkungen ergeben sich aus den Kräften ZT,H und ZT,N des Tragseils sowie aus Wind. Seillängenänderungen infolge Temperaturänderung sind bei der Ermittlung der maßgebenden Seilkräfte zu berücksichtigen.
 Die Komponente ZT,V aus dem Tragseil sowie Eigengewicht werden als Normalkräfte über den Mast abgetragen.
5Schrifttum
 [1] Petersen, Chr.: Stahlbau. Grundlagen der Berechnung und baulichen Ausbildung von Stahlbauten. Wiesbaden 2013