Logo Bundesministerium der JustizLogo Bundesamt für Justiz
Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter (Zollfahndungsdienstgesetz - ZFdG)
§ 72 Überwachung der Telekommunikation sowie des Brief- und Postverkehrs

(1) Das Zollkriminalamt kann zur Erfüllung seiner Aufgaben nach § 4 Absatz 2 ohne Wissen der betroffenen Person dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegende Sendungen öffnen und einsehen sowie die dem Fernmeldegeheimnis unterliegende Telekommunikation überwachen und aufzeichnen, wenn
1.
bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die betroffene Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat nach § 19 Absatz 1 oder 2, § 20 Absatz 1, § 20a Absatz 1 oder 2 oder § 22a Absatz 1 Nummer 4, 5 oder 7 oder Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit § 21, des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen begehen wird, oder
2.
das individuelle Verhalten der betroffenen Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine Straftat nach § 19 Absatz 1 oder 2, § 20 Absatz 1, § 20a Absatz 1 oder 2 oder § 22a Absatz 1 Nummer 4, 5 oder 7 oder Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit § 21, des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen begehen wird.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Handlungen, die gegen bestehende Verbote oder Genehmigungspflichten nach Rechtsakten der Europäischen Union im Bereich des Außenwirtschaftsverkehrs oder einer nach § 4 Absatz 1 des Außenwirtschaftsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung verstoßen würden und die sich auf eine der nachfolgend genannten Gütergruppen beziehen:
1.
Waffen, Munition und Rüstungsmaterial, einschließlich darauf bezogener Herstellungsausrüstung und Technologie, sowie Güter, die geeignet sind und von denen aufgrund von Tatsachen angenommen werden kann, dass sie ganz oder teilweise für eine militärische Endbestimmung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (ABl. L 134 vom 29.5.2009, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/2268 (ABl. L 334 vom 15.12.2017, S. 1) geändert worden ist, bestimmt sind,
a)
wenn diese für die Verwendung in einem Staat bestimmt sind, der sich in einem internationalen oder nicht internationalen bewaffneten Konflikt befindet oder bei dem die dringende Gefahr eines solchen Konfliktes besteht,
b)
wenn
aa)
gegen das Käufer- oder Bestimmungsland oder gegen den Empfänger der Güter ein Waffenembargo aufgrund eines vom Rat der Europäischen Union verabschiedeten Gemeinsamen Standpunktes oder einer verbindlichen Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen verhängt wurde und
bb)
die Länder oder die Rechtsakte der Europäischen Union oder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, aufgrund derer die Liste der Empfänger erstellt wurde, in einer Veröffentlichung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Bundesanzeiger benannt sind, oder
c)
wenn durch die Verwendung der Güter die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeigeführt wird,
2.
Güter, die ganz oder teilweise geeignet sind und von denen aufgrund von Tatsachen angenommen werden kann, dass sie dazu bestimmt sind, einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung, Herstellung, Wartung, Lagerung oder zum Einsatz von Atomwaffen oder von biologischen oder chemischen Waffen zu leisten,
3.
Güter, die ganz oder teilweise geeignet sind und von denen aufgrund von Tatsachen angenommen werden kann, dass sie dazu bestimmt sind, einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung, Herstellung, Wartung, Lagerung oder zum Einsatz von Flugkörpern für Atomwaffen, biologische oder chemische Waffen zu leisten,
4.
Güter, die ganz oder teilweise geeignet sind und von denen aufgrund von Tatsachen angenommen werden kann, dass sie dazu bestimmt sind, einen erheblichen Beitrag zu leisten
a)
zur Errichtung einer Anlage für kerntechnische Zwecke im Sinne der Kategorie 0 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 in der jeweils geltenden Fassung,
b)
zum Betrieb einer solchen Anlage oder
c)
zum Einbau in eine solche Anlage,
wenn das Käufer- oder Bestimmungsland Algerien, Irak, Iran, Israel, Jordanien, Libyen, Nordkorea, Pakistan oder Syrien ist, oder
5.
Güter, die
a)
ganz oder teilweise geeignet sind und von denen aufgrund von Tatsachen angenommen werden kann, dass sie dazu bestimmt sind, im Zusammenhang mit oder zur Vorbereitung von terroristischen Handlungen verwendet zu werden,
b)
ganz oder teilweise geeignet sind und von denen aufgrund von Tatsachen angenommen werden kann, dass sie dazu bestimmt sind, zur Begehung schwerwiegender Verletzungen der Menschenrechte oder des humanitären Völkerrechts verwendet zu werden, oder
c)
ganz oder teilweise geeignet sind und von denen aufgrund von Tatsachen angenommen werden kann, dass ihre Verwendung einen erheblichen Nachteil für die Sicherheitsinteressen oder die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.
(3) Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen. In dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.
(4) Überwachungsmaßnahmen nach den Absätzen 1, 2 oder 3 dürfen auch angeordnet werden gegenüber einer natürlichen Person oder gegenüber einer juristischen Person oder Personenvereinigung, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
1.
eine Person nach Absatz 1 Nummer 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2, für sie tätig ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese an ihrem Postverkehr teilnimmt oder ihren Telekommunikationsanschluss oder ihr Endgerät benutzt,
2.
sie für eine Person nach Absatz 1 Nummer 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2, Mitteilungen entgegennimmt oder von dieser herrührende Mitteilungen weitergibt,
3.
eine Person nach Absatz 1 Nummer 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2, ihren Telekommunikationsanschluss oder ihr Endgerät benutzt oder
4.
sie mit einer Person nach Absatz 1 Nummer 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2, nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt in Verbindung steht und
a)
von der Vorbereitung von Straftaten nach Absatz 1 oder von Handlungen nach Absatz 2 Kenntnis hat,
b)
aus der Verwertung der Taten Vorteile ziehen könnte oder
c)
die Person nach Absatz 1 Nummer 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2, sich ihrer zur Begehung einer in Absatz 1 genannten Straftat oder einer in Absatz 2 genannten Handlung bedienen könnte.
Überwachungsmaßnahmen nach Satz 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn die Erkenntnisse aus Maßnahmen gegen Personen, bei denen die Voraussetzungen nach Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, vorliegen, nicht ausreichen, um die in Vorbereitung befindliche Tat zu verhüten.
(5) Überwachungsmaßnahmen nach den Absätzen 1, 2, 3 oder Absatz 4 dürfen nur angeordnet werden, wenn es ohne die Erkenntnisse aus den damit verbundenen Maßnahmen aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre, die vorbereiteten Taten zu verhindern und die Maßnahmen nicht außer Verhältnis zur Schwere der zu verhindernden Tat stehen. Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.
(6) Die zuständige Staatsanwaltschaft ist zu unterrichten
1.
vor einem Antrag auf Anordnung nach § 74 Absatz 1 Satz 2,
2.
über eine richterliche Entscheidung nach § 74 Absatz 1 Satz 1,
3.
über eine Entscheidung des Bundesministeriums der Finanzen bei Gefahr im Verzug nach § 74 Absatz 2 Satz 1 sowie
4.
über das Ergebnis der durchgeführten Maßnahme.
(7) In Fällen der Absätze 1, 2 und 4 gilt § 2 des Artikel 10-Gesetzes mit Ausnahme des Absatzes 1a Satz 1 Nummer 3, soweit die Verpflichtung zur Zugangsgewährung betroffen ist, und mit Ausnahme des Absatzes 1a Satz 1 Nummer 4 entsprechend.