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Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

Verordnung über die Besatzung und über die Befähigungen der Besatzung von Fahrzeugen in der Binnenschifffahrt (Binnenschiffspersonalverordnung - BinSchPersV)
Anlage 10 (zu § 38 Absatz 3, § 75 Absatz 4 und 5)
Standards für die praktische Prüfung zur Erlangung eines Befähigungszeugnisses als Schiffsführer

(Fundstelle: Anlageband zu BGBl. I 2021, Ausgabe 81 vom 6. Dezember 2021, S. 60 - 62)
 
1.
Besondere Befähigungen und Beurteilungssituationen
Die Prüfung besteht aus zwei Teilen: einem Teil Reiseplanung und einem Teil Reisedurchführung. Die Prüfung zur Reisedurchführung findet in einer einzigen Sitzung statt. Jeder Teil der Prüfung besteht aus mehreren Elementen.
Für Schiffsführer, die weder ein zugelassenes Ausbildungsprogramm absolviert haben, das auf den Befähigungsstandards für die Betriebsebene beruht, noch eine Beurteilung ihrer Befähigung bei einer Verwaltungsbehörde bestanden haben, in deren Rahmen überprüft wurde, dass die Befähigungsstandards für die Betriebsebene erfüllt sind, werden die Anforderungen um die besonderen Elemente ergänzt, die in den Standards in Anlage 11 (Zusatzmodul zur Aufsicht im Rahmen der praktischen Prüfung zur Erlangung eines Befähigungszeugnisses als Schiffsführer) festgelegt sind.
Inhaltlich muss die Prüfung den folgenden Anforderungen entsprechen:
Reiseplanung
Der Prüfungsteil Reiseplanung umfasst die in der Tabelle in Anhang 1 aufgeführten Elemente. Die Elemente werden nach ihrer Bedeutung in die Kategorien I und II eingeteilt. Aus dieser Liste sind je Kategorie 10 Elemente auszuwählen und in der Prüfung abzuprüfen.
Reisedurchführung
Der Bewerber hat nachzuweisen, dass er in der Lage ist, eine Reise durchzuführen. Eine unabdingbare Voraussetzung hierfür ist, dass er das Fahrzeug selbst steuert. Die einzelnen zu prüfenden Elemente sind in der Tabelle in Anhang 2 aufgeführt und – im Gegensatz zum Prüfungsteil Reiseplanung – sind stets sämtliche dieser Elemente abzuprüfen.
Es steht der Prüfungskommission frei, den Inhalt der einzelnen Prüfungselemente festzulegen.


Anhang 1
Inhalte des Prüfungsteils Reiseplanung
In jeder Kategorie sind 10 Elemente abzuprüfen. Der Bewerber kann höchstens 10 Punkte für jedes Element erreichen.
Für Kategorie I müssen die Bewerber für jedes geprüfte Element mindestens 7 von 10 Punkten erreichen. Für Kategorie II müssen die Bewerber insgesamt mindestens 60 Punkte erreichen.
Nr.BefähigungenPrüfungselementeKategorien
I-II
 11.1.1auf europäischen Binnenwasserstraßen mit Schleusen und Schiffshebewerken gemäß den Frachtverträgen mit dem Spediteur zu navigieren;I
 21.1.3die ökonomischen und ökologischen Aspekte des Fahrzeugbetriebs für eine effiziente und umweltfreundliche Nutzung des Fahrzeugs zu berücksichtigen;II
 31.1.4den technischen Bauwerken und Profilen der Wasserstraßen Rechnung zu tragen und Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen;I
 41.2.1eine sichere Besatzung des Fahrzeugs gemäß den anwendbaren Vorschriften sicherzustellen;I
 51.3.3für einen sicheren Zugang zum Fahrzeug zu sorgen;II
 62.1.1die Grundsätze des Schiffsbaus in der Binnenschifffahrt zu beachten;II
 72.1.2die Konstruktion von Fahrzeugen und ihr Verhalten im Wasser, insbesondere im Hinblick auf Stabilität und Festigkeit, zu unterscheiden;II
 82.1.3die Bauteile des Fahrzeugs und die Schadenskontrolle und -analyse zu verstehen;II
 92.1.4Maßnahmen zum Schutz der Wasserdichtigkeit des Fahrzeugs zu ergreifen;I
102.2.1die Funktionen der Fahrzeugausrüstung zu verstehen;II
112.2.2die speziellen Anforderungen bei der Beförderung von Ladung und Fahrgästen zu beachten;I
123.1.1die einschlägigen nationalen, europäischen und internationalen Vorschriften, Codes und Standards für die Beförderung von Ladung zu verstehen;II
133.1.2Staupläne unter Berücksichtigung von Kenntnissen über das Laden von Ladungen und Ballastsysteme zu erstellen, um die Belastung des Schiffskörpers in annehmbaren Grenzen zu halten;I
143.1.3die Be- und Entladevorgänge im Hinblick auf eine sichere Beförderung zu kontrollieren;I
153.1.4verschiedene Güter und deren Eigenschaften zu unterscheiden, um ein sicheres Laden der Güter nach dem Stauplan zu überwachen und zu gewährleisten;II
163.2.1die Auswirkungen von Ladung und Ladevorgängen auf Trimmlage und Stabilität zu beachten;I
173.2.2die effektive Tonnage des Fahrzeugs zu überprüfen, Stabilitäts- und Trimmdiagramme sowie Geräte zur Festigkeitsberechnung, einschließlich automatischer datenbasierter Ausrüstung (ADB-Ausrüstung), zur Überprüfung von Stauplänen zu verwenden;I
183.3.1die einschlägigen nationalen, europäischen und internationalen Vorschriften, Codes und Standards für die Beförderung von Fahrgästen zu verstehen;II
193.3.2Sicherheitsübungen gemäß der Sicherheitsrolle zu organisieren und zu überwachen, um ein sicheres Verhalten in möglichen Gefahrensituation zu gewährleisten;II
203.3.3mit Fahrgästen in Notsituationen zu kommunizieren;I
213.3.4eine Analyse der Gefahren an Bord bezüglich der Beschränkung des Zugangs für Fahrgäste festzulegen und zu überwachen sowie ein wirksames Bordschutzsystem zu erstellen, um unbefugten Zutritt zu verhindern;II
223.3.5Berichte von Fahrgästen (d. h. über unvorhergesehene Ereignisse, Beleidigungen, Vandalismus) zu analysieren, um angemessen zu reagieren;II
234.4.1mögliche Schäden an elektrischen und elektronischen Geräten an Bord zu verhüten;II
244.5.3technische und interne Dokumentation auszuwerten;II
255.1.1ein sicheres Verhalten der Besatzungsmitglieder in Bezug auf die Verwendung von Werk- und Zusatzstoffen zu gewährleisten;II
265.1.2Arbeitsaufträge so festzulegen, zu überwachen und zu kontrollieren, dass die Besatzungsmitglieder in der Lage sind, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten eigenständig durchzuführen;II
275.1.3Materialien und Werkzeug unter Berücksichtigung des Gesundheits- und Umweltschutzes zu kaufen und zu prüfen;II
285.1.4sicherzustellen, dass Drähte und Seile den Angaben des Herstellers und ihrem Verwendungszweck entsprechend eingesetzt werden;II
296.3.2die nationale, europäische und internationale Sozialgesetzgebung anzuwenden;II
306.3.3ein striktes Alkohol- und Drogenverbot durchzusetzen und bei Verstößen angemessen zu reagieren, Verantwortung zu übernehmen und die Folgen von Fehlverhalten aufzuzeigen;II
316.3.4die Beschaffung und Zubereitung von Mahlzeiten an Bord zu organisieren;II
327.1.1nationale und internationale Rechtsvorschriften anzuwenden und geeignete Maßnahmen für Gesundheitsschutz und Unfallverhütung zu ergreifen;II
337.1.2die Gültigkeit des Zeugnisses des Fahrzeugs und anderer für das Fahrzeug und dessen Betrieb relevanter Dokumente zu kontrollieren und zu überwachen;I
347.1.3die Sicherheitsvorschriften bei allen Arbeitsabläufen durch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten, um Unfälle zu vermeiden;I
357.1.4alle für die Reinigung geschlossener Räume erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen vor dem Öffnen, Betreten und Reinigen dieser Räume durch andere Personen zu kontrollieren und zu überwachen;II
367.2.5Rettungsmittel und die korrekte Anwendung persönlicher Schutzausrüstung zu kontrollieren;II
377.3.1Vorbereitungen für Rettungspläne für verschiedene Arten von Notfällen einzuleiten;II
387.4.1Vorsichtsmaßnahmen gegen Umweltverschmutzung zu ergreifen und entsprechende Ausrüstung zu verwenden;II
397.4.2die Umweltschutzgesetze anzuwenden;II
407.4.3Geräte und Materialien wirtschaftlich und umweltfreundlich einzusetzen.II
Anhang 2

Inhalte des Prüfungsteils Reisedurchführung
Alle hier genannten Prüfungselemente müssen abgeprüft werden. Für jedes Element muss der Bewerber mindestens 7 von höchstens 10 Punkten erreichen.
Nr.BefähigungenPrüfungselemente
 11.1.1das Fahrzeug situationsgerecht und entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des Verkehrsrechts zu führen und zu manövrieren (in Abhängigkeit von Strömungsgeschwindigkeit und -richtung, Prüfung von Wasser- und Abladetiefe, Flottwasser, Verkehrsdichte, Interaktion mit anderen Fahrzeugen usw.);
 21.1.4das An- bzw. Ablegen des Fahrzeugs auf Binnenwasserstraßen sachgerecht und entsprechend den gesetzlichen Vorgaben bzw. Sicherheitsvorschriften durchzuführen;
 31.1.5bei Bedarf Navigationssysteme nachzujustieren oder neu einzustellen;
 41.1.5den Navigationssystemen alle für die Fahrt relevanten Informationen zu entnehmen und diese für eine angepasste Fahrweise zu nutzen;
 51.1.6die notwendigen Geräte im Fahrstand (Navigationssysteme wie Inland AIS, Inland ECDIS) in Betrieb zu nehmen und einzustellen;
 62.2.2zu prüfen, ob das Fahrzeug den Vorschriften entsprechend für die Fahrt bereit ist und die Ladung und andere Gegenstände den Vorschriften entsprechend sicher gestaut sind;
 74.2.2sachgerecht auf (ggf. zu simulierende) Störungen des Fahrbetriebs (z. B. Anstieg der Kühlwassertemperatur, Abfall des Maschinenöldrucks, Ausfall der Hauptmaschine(n), Ausfall des Steuerruders, Funkstörungen/Ausfall des Funkgeräts oder unklare Fahrtrichtung anderer Fahrzeuge) zu reagieren, über das weitere Vorgehen entscheiden und angemessene Instandhaltungsmaßnahmen veranlassen oder durchführen, um einen sicheren Fahrbetrieb zu gewährleisten;
 85.1.2eine Fahrweise zu wählen, die es erlaubt, Unfallrisiken frühzeitig zu erkennen, und materialschonend ist; die zur Verfügung stehenden Indikatoren regelmäßig zu kontrollieren;
 96.1.1zielgerichtet zu kommunizieren, sowohl mit den Besatzungsmitgliedern (On-Board-Kommunikation) in Bezug auf einzelne Manöver und im Rahmen von Personalgesprächen (z. B. Unterweisungen) als auch mit Personen, mit denen Absprachen getroffen werden müssen (unter Nutzung aller Funkverkehrsnetze);
106.2.2während der jeweiligen Tätigkeiten mit den betreffenden Personen (an Bord) und mit anderen Akteuren (Revierzentrale, andere Fahrzeuge usw.) den Vorschriften entsprechend (Netze, Wasserstraßen entlang der Reiseroute) zu kommunizieren; Funk/Telefon zu nutzen;
117.3.3eine (ggf. zu simulierende) Notsituation (z. B. über Bord gegangene Person, Anlagenausfall, Brand an Bord, Austritt von Gefahrstoffen, Leckagen) durch schnelle und umsichtige Durchführung von Manövern oder Maßnahmen zur Rettung bzw. Schadensbegrenzung zu bewältigen; die in Notfällen relevanten Personen und zuständigen Behörden zu benachrichtigen bzw. zu informieren;
127.3.4bei Störungen mit den betreffenden Personen (an Bord) und mit anderen Akteuren (Nutzung von Funk, Telefon) zu kommunizieren, um Probleme zu lösen.
2.
Technische Anforderungen an Fahrzeuge, die für praktische Prüfungen verwendet werden
Ein für praktische Prüfungen verwendetes Fahrzeug wird von Artikel 2 der Richtlinie (EU) 2017/2397 erfasst.